St. Stephanuskirche zu Kissenbrück

Unbestritten dürfte die Kissenbrücker Kirche eine der ältesten Kirchen im südostniedersächsischen Raum sein. Gegründet von Bischof Hildegrimm aus Hildesheim etwa um 780 war sie damals schon dem heiligen Stephanus geweiht. 919 bis 936 regierte der erste Sachsenkönig Heinrich I. als deutscher König. In dieser Zeit wurde die Kirche, also bereits nach rund 124 Jahren, das erste Mal durch Krieg zerstört, und das nicht zum letzten Mal.
134 Jahre sollte es dann dauern, bis 1058 der zweite Bau errichtet wurde. Auch dieser wurde durch Krieg, und zwar den Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648, im Jahre 1626 zum zweiten Mal vernichtet. 1664 wurde dann durch herzog Rudolf‑August der dritte Bau errichtet, der immer noch nicht der letzte werden sollte. In der Bombennacht vom 14. Januar 1944 brannte die Kirche zum dritten Mal durch kriegerische Auseinandersetzungen nieder. Lediglich die Außenwände blieben stehen. Viele Tote waren zu beklagen. Außer der Kirche wurden auch viele Wohnhäuser und auch das Schloss Hedwigsburg ein Opfer der Flammen. Im Torbogen des Glockenturmes hängt zur Erinnerung an diese sinnlose Zerstörung eine Platte.
Am 7. Juni 1959 wurde die vierte St. Stephanuskirche durch den damaligen Landesbischof Erdmann eingeweiht. Bei dem Bauwerk handelt es sich um eine sehr seltene Form des Kirchenbaues. Einerseits ist die Kirche entgegen der meisten Sakralbauten in Deutschland nicht mit einem Turm versehen. Dieser steht, ähnlich wie oft in Italien als "Campanile" anzutreffen, von dem Kirchenbau getrennt. Andererseits hat der Grundriss, auch der bereits 1664 errichteten Kirche, die Form eines griechischen Kreuzes. Man spricht bei dieser Form auch von einem Zentralbau, ähnlich wie auch der Petersdom gebaut ist. Es gibt also kein Kirchenschiff und auch keine Seitenschiffe, wie das im Basilikabau allgemein üblich war. Im Gegensatz zur heutigen Ausführung hatte die Kirche keinen abgetrennten Eingangsbereich und keine Sakristei. Alle vier Kreuzflächen waren in den Kirchenraum integriert. Erstaunlich viele Treppen sind zu sehen, in jedem Flügel eine. Betrachten wir dazu den Schnitt der letzen Kirche, so erkennen wir doppelstöckige Emporen, die dazu führten, dass in der Kirche 500 Personen Platz fanden. Die heutige Kirche bietet Platz für 200 Personen.
Die Kirche wurde während des Barocks gebaut und muss ein Prachtstück dieser Bauweise gewesen sein. Besonders erwähnenswert ist der Altar. Bemerkenswert ist die seltene Konstruktion, dass sich die Kanzel über dem Altar befindet und nicht, wie sonst allgemein üblich, an der Seite im Kirchenschiff. Der Künstler des Kreuzes heißt Fritz Fleer. Es handelt sich um einen Bronzeguss, der 1959 angefertigt worden ist.
Der Entwurf des Taufbeckens ist vermutlich von Professor Berndt, dem Architekten der Kirche und ebenso der Kanzel, Die beiden großen Buchstaben sind der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabetes und heißen Alpha und Omega. Die Taufschale trägt die Inschrift: "Ein Herr ‑ ein Glaube ‑ eine Taufe“. Der Osterleuchter wurde 1989 von dem Kunstschmied Michael Fritz aus Riezlern im Klein Walsertal angefertigt und aus Überschussmitteln des Bastelkreises der Frauenhilfe bezahlt.
Der Künstler des Deckengemäldes heißt Claus Wallner. Unverkennbar, auch wenn etwas abstrahiert, stellt es Engel dar. Weitere Werke sind von ihm in vielen Braunschweiger Kirchen zu besichtigen. Erbauer der Orgel war Otto Dutkowski aus Braunschweig. Die Orgel verfügt über zwei Manuale, die über viereinhalb Oktaven reichen, sowie einem Pedalwerk, welches mit den Füßen bedient wird. In der Kirche bestattet wurden Albrecht Freiherr von Münchhausen († 1796) und seine Frau Baronin von Adelsleben († 1798). Das Grabgewölbe befindet sich etwa in der Mitte der Kirche.
Verfasser: Gerd Bötel